Nach der Kommunalwahl im März 2020 begann vor einem Jahr am 1. Mai 2020 die neue Legislaturperiode der politischen Mandatsträger. Zeit für eine erste Bilanz. Wir haben bei den Fraktionschefs im Pfarrkirchner Stadtrat nachgefragt. Heute: Anja Gaßner, Sprecherin der Jungen Liste/Bürgerliste.
Dank des Verzichts der CSU, die keinen der beiden Stellvertreterposten des Bürgermeisters beanspruchte, stellt die JL/BL plötzlich mit Hermann Gaßner den Vize-Bürgermeister. Hat dies die Arbeit Ihrer Fraktion im Stadtrat verändert? Gaßner: Wir waren sehr überrascht, als sich damals herausstellte, dass die CSU keinen stellvertretenden Bürgermeister stellen würde. Als Hermann Gaßner für den 2. Bürgermeister vorgeschlagen und vom Gremium gewählt wurde, war die Freude bei uns selbstverständlich sehr groß. Für uns war es ein Zeichen, dass sich die Junge Liste/Bürgerliste über viele Jahre hinweg im Stadtrat – auch ohne, oder vielleicht gerade wegen fehlender großer Partei im Rücken – etabliert hat. Ob sich die Arbeit unserer Fraktion im Stadtrat verändert hat, können wohl die anderen Gremiumsteilnehmer vermutlich besser beurteilen. Es war seit jeher unsere Art, für unsere Themen und Interessen so einzustehen, dass niemand persönlich angegriffen wurde. Zuspruch aus dem Gremium für unsere Themen war auch im Vorfeld für unsere Fraktion keine Selbstverständlichkeit, sondern werten wir als positives Feedback für unser Engagement, ohne dass wir es uns jedes Mal auf die Fahne schreiben müssen.
Und ist die Junge Liste/Bürgerliste deshalb zahmer geworden, gerade der CSU gegenüber? Gaßner: Ich möchte behaupten, dass wir auch früher Sinnvolles mitgetragen und aus unserer Perspektive Unpassendes abgelehnt haben. Generell ist uns eine Kommunikation auf Augenhöhe sehr wichtig. Unterschiedliche Ansichten dürfen nicht als verbale, persönliche Attacke auf dem kommunalpolitischen Bankett enden. Entscheidend für uns ist nicht, wer gute Ideen zum Wohle der Bürger und Bürgerinnen in Pfarrkirchen hat, sondern dass wir gemeinsam fraktionsübergreifend stetig daran arbeiten, unsere Heimat lebenswert für alle Altersschichten zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir rechnen es Bürgermeister Wolfgang Beißmann seit seinem Amtsantritt hoch an, dass er durch regelmäßig stattfindende Bürgermeister-Fraktionssprecher-Runden versucht, größtmögliche Transparenz für alle zu schaffen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen? Gaßner: Vor der Pandemie war es eine gute Tradition, dass wir uns nach den Stadtratssitzungen in abwechselnden Lokalitäten in Pfarrkirchen getroffen hatten. Dieser parteiübergreifende zwanglose Austausch fehlt aus meiner Sicht, da auch kein privater Kontakt bei Festen oder Veranstaltungen mit den anderen Gremiumsmitgliedern möglich war. Vor allem für die neu gewählten Gremiumsmitglieder ist es meiner Meinung nach etwas schwieriger, ins Gremium "hineinzuwachsen".
Wo hakt es aus Ihrer Sicht in der Stadtpolitik, was müsste sich ändern und was bereitet Ihnen Kopfschmerzen? Gaßner: Ich bin mir sicher, dass die personellen Ressourcen aller Mitarbeiter der Stadt in vielen Bereichen wesentlich besser zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger genutzt werden könnten, wenn manche Mitmenschen wieder ein wenig mehr über den eigenen Tellerrand hinaus schauen würden.
Was heißt das konkret? Gaßner: Ein paar Beispiele. Was mich zunehmend bewegt, ist die Ich-bezogene Einstellung mancher Menschen, nicht nur hier in Pfarrkirchen. So werden Menschen, die Flüchtlinge oder Asylbewerber unterstützen, manchmal persönlich verbal angegriffen, anstatt sich darüber zu freuen, wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert und hervorragende Integrationsarbeit leistet. Spekulanten ohne Heimatbezug lassen lieber Objekte leer stehen, als sich konstruktiv mit möglichen Interessenten zusammenzusetzen, nur weil vielleicht die Rendite sich geringfügig schmälern könnte. Als neulich einige Mitglieder unserer JL/BL unterwegs waren, um Müll zu sammeln, fand ich es erschreckend, dass wir in rund eineinhalb Stunden 40 kg Müll beisammen hatten, obwohl überall im Stadtgebiet zahlreiche Mülleimer aufgestellt sind und Mitarbeiter des Bauhofes permanent diesbezüglich im Einsatz sind.
Was würde Ihre Fraktion auf keinen Fall mitmachen? Gassner: Unsere Fraktion würde auf keinen Fall Projekte unterstützen, die augenscheinlich Steuergelder sinnlos vernichten würden oder radikale Tendenzen befeuern würden.
Was ist für Sie – abgesehen von Corona und den Folgen der Pandemie – das aktuell brennendste Thema? Gaßner: Radwegekonzept, JUZ, Nord-Süd-Umgehung. Eines der brennendsten Themen ist für mich jedoch die Dorferneuerung Waldhof. Leider gestaltet sich die Maßnahme nun schwieriger als gedacht, da einige große Brocken auf dem Weg liegen, um die man sich kümmern muss: Zum einen die Finanzierung, zum anderen werden geplante Veränderungen auch nicht von allen direkt betroffenen Anwohnern gleich begeistert mitgetragen.
Apropos Corona: Wie haben Sie das "Ohr am Bürger", wie es so schön heißt, nachdem das öffentliche Leben seit Monaten lahm gelegt ist? Gaßner: Zum Glück ist man ja nicht gänzlich eingesperrt, sondern kann sich doch noch im begrenzten Rahmen – mal mehr, mal weniger im Stadtgebiet bewegen. Vor allem bei Begegnungen des Alltags wie z.B. beim Einkaufen oder Spazierengehen kommt man coronakonform ins Gespräch, und erfährt, "wo der Schuh drückt". Auch der Austausch mit den Mitgliedern der JL/BL, der zur Zeit online stattfindet, rückt Belange der Bürgerinnen und Bürger in den Fokus, wie z.B. die Anregung von Fahrradständern unter dem Vordach der Vier-Fach-Turnhalle, wie es sie früher bereits gegeben hat, einen Soccer-Court (Fußballkäfig) oder auch einen Sprayer-Workshop wie Herr Kandlbinder im Rahmen seiner Tätigkeit als Quartiermanager angedacht hat. In Rücksprache mit Eigentümern könnte man dabei eher unschöne Objekte wie die Container des Landratsamtes beim Krankenhaus, mit kunstvollen Vorsatzschalen optisch aufwerten.
Wie erfahren Sie, ob Ihre Politik bei den Menschen ankommt? Gaßner: Derzeit laufen Anfragen oder Rückfragen eher über Telefon oder E-Mail – etwa die Taktung der Stadtbuslinie zum Schulzentrum und der neuen Kita am Krankenhaus. Hier ist es mir wichtig, den direkten und unkomplizierten Kontakt zu den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, des Bauhofs und der Stadtwerke hervorzuheben. So brauchte es z.B. nur einen Anruf bei Bauhofleiter Siegfried Waschlinger, und am nächsten Tag stand ein wunderschön beleuchteter Weihnachtsbaum direkt vorm Altenheim St. Konrad.
Welche Schwerpunkte wollen Sie im kommenden Jahr setzen? Gaßner: Nachdem die Stadt richtigerweise begonnen hat, in die Spiel- und Aufenthaltsqualität bei Spielplätzen zu investieren, müssen wir diesen Weg konsequent weiterverfolgen. Mindestens jährlich sollte ein weiterer Spielplatz umgestaltet werden. Ergänzend zum Skater- und Bikepark kann ich mir einen Bewegungsspielplatz mit Boulder-Elementen vorstellen, um auch älteren Kindern und Jugendlichen eine attraktive Plattform bieten zu können. Unabhängig von der Entwicklung der Pandemie ist es uns extrem wichtig, dass jedes Kind schwimmen lernen soll. Ideal wäre eine Begegnungsmöglichkeit von Alt und Jung, wie z.B. ein "Reparaturcafé" im Stadtkern, wo im Sinne der Nachhaltigkeit Dinge repariert werden und damit auch altes Wissen an die jüngere Generation weitergegeben wird. Es gibt sich eine Gruppe engagierter Bürger, die als Verein – mit Unterstützung der Stadt – die Federführung übernimmt. Und vielleicht könnten kulturelle Veranstaltungen noch einfacher verwirklicht werden, wenn es einen Kulturverein gäbe. Und ich hoffe, dass wir für das PAN-Optikum, eine Umweltbildungseinrichtung, die wir vor einiger Zeit aufs Tapet gebracht hatten, ein geeignetes Objekt finden.
Wenn Sie das erste Jahr dieser Stadtratsarbeit seit der Wahl 2020 in drei Worten zusammenfassen müssten, welche wären das? Gaßner: Unvorhersehbar, herausfordernd, zukunftsbildend.
Letzte Frage: Falls es Corona zulässt, sollte sich die Stadt dann im kommenden Winter trotz des immensen Aufwands wieder eine Eisbahn leisten? Gaßner: Ich denke es ist keine Frage des Leistens, sondern eine Grundsatzentscheidung. Ja, wir wollen mit unterschiedlichen sportlichen, kulturellen und sozialen Angeboten das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger, sowie unserer Gäste bereichern.
Quelle: Passauer Neue Presse (pnp.de)
Autor: Christian Wanninger
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